#2 Dem Tod begegnen: Nicole Rinder über Trauer, Abschied und neue Wege
Shownotes
TW: Tod, Kindstod, Suizid, Begräbnis
Nicole Rinder hat selbst einen tiefgreifenden Verlust erlebt – ein Moment, der ihr Leben veränderte und sie auf einen ungewöhnlichen Weg führte: Heute begleitet sie als stellvertretende Leitung des Instituts AETAS Menschen in ihrer Trauer, hilft beim Abschiednehmen und setzt sich für eine neue Trauerkultur ein.
Im Gespräch mit Marlen Bruckner erzählt sie von diesem Weg, von der Kraft, die entstehen kann, wenn wir dem Tod nicht ausweichen, sondern ihm begegnen – auch, wenn es um die vielleicht schmerzlichste aller Fragen geht: Was passiert, wenn Kinder sterben? Ein Thema, das in unserer Gesellschaft oft als unsagbar gilt – und genau deshalb angesprochen werden muss.
Gemeinsam sprechen sie über die Lücken in der deutschen Trauerkultur, über Sprachlosigkeit und Hilflosigkeit im Umfeld von Betroffenen – und darüber, wie wir lernen können, besser da zu sein. Nicole gibt Einblicke in die Arbeit von AETAS, wo der Abschied Raum, Zeit und Würde bekommt – und erzählt von berührenden Erfahrungen, wie etwa ihrer Reise zum Día de los Muertos in Mexiko, wo Tod und Leben ganz anders zusammengehören.
Eine lebendige, starke Folge über Verlust, Hoffnung – und den Mut, hinzusehen.
Musik: Free Music Archive / Sense - Sergey Cheremisinov
Themen dieser Folge:
- Wie Nicole Rinder durch einen persönlichen Verlust zur Trauerbegleitung kam
- Was AETAS im Umgang mit Tod und Trauer anders macht
- Warum der Tod eines Kindes ein gesellschaftliches Tabuthema ist
- Wie wir Trauernde als Angehörige besser unterstützen können
- Eindrücke vom Día de los Muertos und neue Perspektiven auf Abschied und Erinnerung
Weiterführende Links: AETAS Institut für Lebens- und Trauerkultur
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00:00:00: Sprecher 1 Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Gespräch von SZ Media Bayern. Ich bin Marlene Bruckner und ich sitze heute hier in einem sehr besonderen Raum. Hier dreht sich alles um das Leben, aber auch um den Tod. Und ich spreche mit Frau Nicole Rinder. Sie ist Leiterin von Aretas und Bestatterin. Und wir werden heute eintauchen in das Leben einer Bestatterin. Erst mal mit den Fragen auch Wie wird man denn Bestatterin? Und was hat man da denn alles zu tun? Und vor allem schauen wir uns die Trauerkultur in Deutschland an Was könnte man besser machen? Was läuft noch nicht so gut? Was ist ganz schön schon was wir hier haben? Und ich freue mich. Herzlich Willkommen, Frau Rinder! Vielen Dank, dass Sie die Räumlichkeiten hier sind. Wirklich sehr, sehr schön. Also, es ist sehr einladend. Mir ist sofort die Architektur aufgefallen. Es ist modern, es ist bunt, man kriegt. Also ich persönlich habe jetzt gar kein beklemmendes Gefühl bekommen. Wo ich mir aber von vornherein dachte uhm, Bestattung. Ich muss zugeben, ich war noch nie in einer Bestattung.
00:01:01: Sprecher 1 Ist mein erstes Mal und ich fühle mich sehr gut aufgehoben. Was ist die Philosophie hinter Aetas, dass Sie das hier so freundlich gestalten?
00:01:09: Sprecher 2 Also das freut mich erstmal wirklich sehr. Dieses positive Feedback, weil genau das war unser Ziel, als wir vor 25 Jahren Aetas gegründet haben. Den Leuten so ein bisschen die Angst zu nehmen. Also genau das, was sie gerade sagen. Oh Gott, Ich komme heute zu einem Bestatter. Da ist bestimmt alles dunkel und schwarz. Und da stehen die Särge und die Urnen. Und wir wirklich dann bewusst gesagt haben Genau das wollen wir nicht. Wir möchten ein Stück weit die Angst nehmen, indem wir sagen Wir machen die Räume hell, wir machen sie offen, wir gestalten sie bunt. Also genau so, wie das Leben einfach auch ist. Das Leben ist bunt. Das Leben ist nicht immer nur schwarz und und schwer und drückend, sondern das hat einfach alle Farben. Und das haben wir wirklich versucht. Schon allein hier in unseren Räumen auch zu gestalten und den Menschen, wenn sie zu uns kommen, die alle genau mit derselben Angst, wie sie zu uns kommen, wirklich und dann reinkommen und uns auch sagen Oh, erstmal tief durchatmen, Das ist ja gar nicht so schlimm bei Ihnen.
00:02:08: Sprecher 2 Und schon haben wir einen ganz anderen Zugang dann auch zu den Menschen. Also das war uns einfach wirklich von den Räumlichkeiten her ganz wichtig.
00:02:17: Sprecher 1 Ja, das merkt man wirklich in jeder Ecke. Und Sie waren ja Arzthelferin. Sie sind gar nicht von Anfang an Bestatterin. Wie hat das Leben Sie zu diesem Weg geführt?
00:02:27: Sprecher 2 Das stimmt. Ursprünglich Arzthelferin. Ich bin zu dem Beruf als Bestatterin gekommen. Durch den Tod von meinem Sohn. Der ist vier Tage nach der Geburt gestorben. Und ich habe damals Florian Rauch, der immer Kitas gegründet hat, kennengelernt. Und der hatte mich dann begleitet. Und da habe ich gemerkt, ich habe dann einige andere Frauen kennengelernt, die Ähnliches erfahren haben die wirklich so also ich sage es immer, wirklich fast neidisch darauf waren, was ich machen durfte. Also dass ich meinen toten Sohn selber angezogen habe, Eingebettet habe, das sehr klein gestaltet habe. Und da kam dann wirklich auch so in mir der Gedanke das kann nicht sein, dass das nicht alle Eltern dürfen. Also das war mir natürlich. Bis zu dem Zeitpunkt habe ich mich mit so was auch nie auseinandergesetzt. Genau. Und dann hat sich eine Freundschaft entwickelt zwischen dem Herrn Rauch und mir. Und dann hat er eben etwas gegründet und ich war von Anfang an mit dabei. Und er hat irgendwann eben die Frage gestellt Mensch, kannst du dir nicht vorstellen, hier mitzumachen und Eltern zu begleiten?
00:03:30: Sprecher 2 Und das war dann wirklich so in mir. Der Impuls, wo ich mir gedacht habe, ja, weil da muss ich was verändern. Und ich möchte eigentlich nie wieder irgendwelche Eltern hören, die sagen mir wurde nicht angeboten, ob ich mein Kind noch mal sehen darf oder ob ich wirklich Dinge mitgeben darf oder das letzte Fest so gestalten darf, dass es mir vielleicht ein Stück weit die Angst nimmt. Ja, und das war der Impuls, warum ich jetzt seit 25 Jahren Bestatterin bin.
00:03:56: Sprecher 1 So lange auch schon.
00:03:57: Sprecher 2 Ja.
00:03:58: Sprecher 1 Sie würden nicht mehr tauschen.
00:03:59: Sprecher 2 Nein, Nein. Nie wieder. Weil es. Wirklich. Auch Das können sich viele nicht vorstellen. Ja, es ist todtraurig, weil wir einfach wirklich jeden Tag einfach mit dem Tod zu tun haben. Und ich sag immer, Es gibt Tode, die dürfen nicht sein. Also gerade wenn Kinder sterben, wenn Unfälle sind, Suizide und man bekommt so viel zurück von den Menschen, wenn man es schafft, sie in den Tagen zwischen Tod und Beisetzung so zu begleiten, dass sie auf einmal Dinge tun, die sie sich vorher selber überhaupt nicht zugetraut hätten? Oder wo sie im Nachhinein auch sagen Ich hätte nie gedacht, dass ich mein eigenes Kind noch mal anziehe oder dass ich meinen Papa, den Sarg bemalt oder irgendwelche Dinge tu. Und das ist einfach wirklich das Schönste an diesem ganzen Beruf.
00:04:43: Sprecher 1 Da sind wir schon in der Trauerkultur in Deutschland. Warum ist es denn nicht gang und gäbe? Warum gibt es viele Menschen, denen das nicht angeboten wird und die so ein bisschen nach Schema F? So hat eine Beerdigung zu sein und so mache ich das jetzt, obwohl man in sich drin fühlt. Eigentlich will ich malen. Ich will tanzen, Ich will singen, was auch immer. Woran liegt das?
00:05:04: Sprecher 2 Also, ich glaube immer, es hat sich sehr verändert. Wirklich? Nach dem Zweiten Weltkrieg, da haben die Menschen einfach zu viel Tod erlebt und zu viel Tote gesehen. Da fing es dann auch an, dass so das Konzept Großfamilie auseinandergefallen ist. Auf einmal sind Menschen in Altenheime in Pflegeheime gegangen zum Sterben. Früher war man zu Hause. Früher hat die ganze Familie Familienmitglieder bis zum Schluss gepflegt. Sie durften zu Hause sterben, die Familie war dabei, die Nachbarn waren dabei, die Freunde alle sind gekommen. Kinder durften sich verabschieden, sind immer wieder in das Zimmer rein, wo der tote Opa lag und sind wieder raus. Die Nachbarn haben den Sarg zum Friedhof getragen. Also es war früher so, das war eine Kultur, die haben wir wirklich gelebt. Also die haben wir einfach von unseren Großvätern und Urgroßvätern weiter bekommen, gekriegt oder vorgelebt bekommen. Und das ist dann wirklich verloren gegangen durch diese Wirklich, wir gehen ins Altenheim Pflegeheim, wir sterben in Krankenhäusern und früher war der Bestatter der Schreiner und der Schreiner hat irgendwann gemerkt, das ist ein Geschäft und der dann angefangen hat wirklich zu Familien zu sagen So, und jetzt kümmere ich mich drum.
00:06:13: Sprecher 2 Sie müssen gar nichts mehr machen. Und dann fing es auch an, dass man keine Toten mehr gesehen hat. Und dadurch ist die große Angst bei uns, Tote wirklich noch mal zu sehen, weil wir es nicht gelernt haben. Und das geht einfach schnell in so einer Gesellschaft, dass man Sachen verdrängt. Und es ist auch was, wo wir immer bei etwas sagen, wir haben überhaupt nichts Neues erfunden. Wir versuchen eigentlich das, was früher ganz normal war, wieder in die Gesellschaft zu bringen.
00:06:34: Sprecher 1 Das finde ich ein schöner Ansatz, weil gerade wenn Sie sagen, jemanden Totes zu sehen, das ist, das kennt man nicht mehr und ich kann da nur von mir selber erzählen. Ich habe eine Freundin verloren im Studium und ich bin das war meine allererste Beerdigung und dann hieß es Du kannst sie noch mal sehen und du kannst in den Raum rein. Und ich wusste nicht, dass sie da aufgebahrt ist. Also ich dachte, mich erwartet ein Sarg zum Verabschieden und für mich war das ganz furchtbar. Also für mich war das ein Schock. Ich habe immer noch. Es ist schon über zehn Jahre her. Ich denke immer noch, wenn ich an meine Freundin denke, an dieses Bild. Aber ich glaube, es war, weil ich unvorbereitet war. Also wenn mir da jemand gesagt hätte, sie wird jetzt so und so aussehen, so sehen tote Menschen aus. Ich wusste das ja nicht. Die Hautfarbe ist ja eine ganz andere. Ja, es gibt keine Spannung mehr im Gesicht. Das ist natürlich was ganz anderes.
00:07:23: Sprecher 1 Dann wäre es mir, glaube ich, ja ein bisschen leichter gefallen, sage ich jetzt mal. Warum ist es denn so wichtig, vielleicht auch noch mal die Toten zu sehen?
00:07:30: Sprecher 2 Also Sie beschreiben es wirklich phänomenal, weil genau das ist das, womit wir jeden Tag zu tun haben. Also wenn wir Menschen anbieten, dass sie den Toten noch mal sehen, dann kommt in der ersten Regel immer erst Nein, Also genau diese Angst. Und wir fragen dann auch Was ist denn die Angst? Aber um Gottes Willen, der sieht ja bestimmt nicht mehr so aus wie vorher. Nein, er ist tot und ich möchte ihn lebend in Erinnerung behalten. Und wir sagen immer Na ja, aber einen lebendigen Menschen kann ich nicht beerdigen. Einen lebendigen Menschen kann ich nicht in die Erde geben oder ins Feuer tun. Und deswegen ist dieses Abschiednehmen, um das zu begreifen und das meine ich wirklich im wahrsten Sinne des Wortes. Ich sehe die Veränderungen, ich fasse ihn an, ich merke, dass er kalt ist. Ich sehe, dass er einfach komplett äußerlich verändert ist. Und darum ist es so unglaublich wichtig, die Menschen vorzubereiten, das, was ihnen gefehlt hat. Und genau dann passiert es, dass man davor eine Angst hat und sagt Das hat mir nicht gut getan, weil man nicht vorbereitet wurde.
00:08:28: Sprecher 2 Und es ist egal, ob wir Kinder mit in den Abschied nehmen oder Erwachsene. Man muss sie darauf vorbereiten. Wie sind die Veränderungen, wie sehen die aus? Was ist eigentlich ganz normal? Und die meisten gehen wirklich dann in den Abschiedsraum und sagen Oh, ich habe mir das viel schlimmer vorgestellt. Es ist ja gar nicht so schlimm, weil sie vorbereitet wurden. Und deswegen ist auch das Abschiednehmen so wichtig, weil es wird dann ein Bild von ganz vielen, die ich mit diesen Menschen habe, aus dem Leben. Und es wird so rund. Also deswegen gehen die Bilder nicht verloren, die man mit dem Menschen hatte, was man mit ihm erlebt hat. Aber es kommt das letzte mit dazu, wie er in seinem Sarg eingebettet ist, hoffentlich seine Lieblingskleidung anhat und noch Sachen hat, die ich mitgeben kann.
00:09:07: Sprecher 1 Was kann man denn da alles mitgestalten?
00:09:09: Sprecher 2 Also es gibt natürlich Grenzen. Also wir sagen immer, die eigene Kleidung ist einfach unglaublich wichtig. Und auch da heißt es ja, wir dürfen keine Schuhe anziehen. Also weil Schuhe meistens nicht mehr aus Leder sind und nicht verrottbar sind. Man sollte darauf achten, dass es verrottbare Dinge sind. Keine Lederjacke, kein Ledergürtel, solche Sachen, aber die Lieblingskleidung. Ich darf das eigene Kissen, die eigene Decke nehmen, Kuscheldecke, Lieblingsbettwäsche, was ich hatte. Und ich darf natürlich Dinge mit in den Sarg geben. Und das sind immer Sachen, wo ich sage, jeder soll schauen, was war demjenigen wichtig, was ich ihm mitgeben möchte oder was es mir denn wichtig, was er von mir eben auch noch hat. Und dann kommen einfach Sachen wie der muss die Süddeutsche mit dabei haben, weil der hat jeden Tag die Süddeutsche gelesen, dann kriegt er die mit. Oder er war Golfspieler. Dann kriegt er den Golfball mit. Also wirklich zu gucken, Was ist mir wichtig, was er mit dabei hat oder was will ich von mir wirklich auch noch mitgeben.
00:10:03: Sprecher 2 Und das ist ein Ritual, was wirklich sehr berührend auch ist und sehr hilfreich auch im Trauerprozess.
00:10:09: Sprecher 1 Und was auch andere Kulturen ja schon leben. Sie waren in Mexiko, Sie waren im Dia de los Muertos.
00:10:17: Sprecher 2 Also.
00:10:18: Sprecher 1 Da waren Sie selber schon mal vor Ort. Können Sie da mal erzählen, wie haben Sie das erlebt?
00:10:22: Sprecher 2 Das war wirklich für mich auch so ein Punkt, wo ich gemerkt habe, wie bunt diese Menschen den Tod wirklich begehen und feiern. Und da war es so, dass über eine Woche lang in sämtlichen Eingangstüren, in Hotels, in Restaurants, überall ein Altar aufgebaut wurde und zwar wirklich von den Verstorbenen, die halt zu der Familie gehört haben. Groß, bunt, also noch bunter, wie man es sich überhaupt vorstellen kann. Die Menschen, Die haben sich als Tod verkleidet. Tagsüber also sind wirklich als der Tod rumgelaufen, und zwar der Tod. Und das macht Mexiko ja so, also es gibt ja auch diese kleinen schönen Figuren. Da gibt es das Brautpaar, was tot ist. Also da gibt es die ganzen Berufe. Warum? Ja, natürlich, weil jeder stirbt. Und deswegen zeigen sie das eben auch in den Figuren. Und am Abend war es dann so, dass wir am Friedhof waren. Und dann. Da läuft dann wirklich die Band über den Friedhof und spielt die ganze Zeit Musik. Die Menschen sitzen an den Gräbern, haben was zum Essen dabei, haben was zum Trinken dabei.
00:11:25: Sprecher 2 Mexikaner trinken gerne Bier und trinken gerne härtere Sachen. Das wird dann auch gemacht. Die erzählen von den Verstorbenen, Die lachen, die weinen das wirklich alles.
00:11:35: Sprecher 1 Das ist total schön.
00:11:36: Sprecher 2 Ja, ist wirklich sehr, sehr, sehr beeindruckend.
00:11:39: Sprecher 1 Ja, und das ist wirklich. Also, man feiert das Leben und den Tod als eines.
00:11:43: Sprecher 2 So ist es. Genau. Also, es ist wirklich so, dass der Tote immer noch ein Teil des Lebens ist. Er ist halt nicht mehr da. Aber er wird nicht vergessen. Und es ist nicht so, was ich sage immer. Also es ist nicht so was Schweres. Und natürlich ist es traurig um Gottes willen und das ist mir auch immer ganz wichtig. Das Weinen gehört dazu. Das ist unglaublich wichtig. Und es wäre ja auch tragisch, wenn wir nicht mehr traurig sind, wenn es den Menschen nicht mehr hier bei uns gibt. Also dann würde ja auch irgendwas nicht stimmen. Und insofern ist es wirklich etwas, wo ich so merke, wenn wir bei uns schauen, Allerheiligen gehen viele ans Grab, aber es hat oft so eine Schwere.
00:12:20: Sprecher 1 Ja, total.
00:12:21: Sprecher 2 Also das ist total schwer. Genau, Finde ich auch. Klar. Dann steht der Trompeter irgendwo am Friedhof und du merkst schon, wenn ich schon auf den Friedhof gehe. Oh Gott, jetzt wird schon jeder Schritt immer schwerer, immer schwerer. Und da habe ich einfach in Mexiko erlebt, wie das geht. Auch anders. Ja, und ich kann weinen, aber ich kann auch feiern. Also ich kann das Leben von diesen Menschen auch noch mal feiern. Ich kann auch feiern, dass ich noch lebe, dass ich noch meine Freunde, meine Familie habe und dass wir gleichzeitig aber auch darüber trauern, dass vielleicht die Mutter oder der Opa oder das Kind auch nicht mehr da ist.
00:12:53: Sprecher 1 Es gibt ja auch so philosophische Ansätze, dass man sagt, eigentlich wird gar nicht unbedingt der verstorbene Mensch betrauert, sondern man betrauert seine eigene Vergänglichkeit, man bemitleidet sich selbst, sag ich jetzt mal. Ich glaube, das kann man nicht pauschal so sagen. Ich glaube, es ist wahrscheinlich alles zusammen. Aber das finde ich, ist auch ein interessanter Ansatz, dass man selber an eine Grenze stößt. Ich werde nicht ewig leben und jetzt stirbt hier jemand, den ich liebe und das zeigt mir, dass auch ich sterblich bin. Ich glaube, das ist auch ein ganz großer Aspekt, mit denen Menschen konfrontiert werden, wo sie nicht darauf vorbereitet sind. Absolut.
00:13:24: Sprecher 2 Absolut. Also spätestens dann, wenn die eigenen Eltern sterben, höre ich es immer wieder, auch von den Menschen, die wir begleiten. Dass sie dann wirklich manchmal dasitzen und sagen Ui, und jetzt bin ich dann wirklich der Nächste oder die nächste. Und das wird einem dann natürlich noch noch bewusster, Ja. Weil es ist ja auch normal, dass wir uns nicht jeden Tag mit dem Tod auseinandersetzen. Und wenn natürlich so was passiert, dann kommt die Endlichkeit einfach immer näher Und ja, sie sagen es genau richtig. Man betrauert eigentlich nicht nur, dass dieser Mensch nicht mehr da ist, sondern natürlich. Ich betraue dann auch mein Leben, weil ich mit diesem Menschen einfach nicht mehr sein kann.
00:14:00: Sprecher 1 Ja, und die Verbindung ist weg. Die weltliche, sage ich jetzt mal, weil im Gedanken ist man ja noch zusammen und kann glaube ich auch, wie man es nennen möchte, die Seele oder den Spirit des Menschens noch weitertragen, ihn in sein eigenes Leben. Das finde ich auch immer so einen schönen, tröstlichen Gedanken. Man kann erzählen, man kann Bilder zeigen, man kann. Ja, es ist ja nicht weg von heute auf morgen. So, die Existenz war ja da und die kann man heutzutage noch mehr denn je beweisen. Auch. Ja, diese unzähligen Videos, auch das habe ich mich auch schon öfter gefragt Ist es tröstlicher für Verstorbene? Können Sie dazu was sagen, wenn man wirklich das ganze Handy voll hat mit Videos? Oder würden Sie sagen, manchmal ist es sogar ein bisschen anstrengend für die Verbliebenen, weil man sagt Oh Gott, jetzt ploppt da wieder mein iPhone auf mit Erinnerung von 2020 usw.
00:14:47: Sprecher 2 Also da geht wirklich Jeder geht anders damit um. Also es gibt wirklich Menschen. Wenn jemand stirbt in der Familie, die ganz schnell sind, alles auszuräumen aus der Wohnung, alles also wirklich bis aufs letzte, die auch Bilder dann verstecken und wegtun Weil sie sagen ich halte das nicht aus. Und es gibt die Menschen, die einfach sagen nö, war jetzt einfach 20304050 Jahre Teil von meinem Leben und deswegen darf auch ein Teil immer noch hier bleiben. Und da kann man auch gar nicht sagen, was ist jetzt richtig, was ist falsch oder was ist gut oder was ist nicht gut, sondern da hat wirklich jeder so seinen eigenen Umgang. Natürlich wäre es schön, wenn man es schafft, irgendwann auch wieder Bilder anschauen zu können, ohne dass man gleich in Tränen ausbricht. Und es passiert auch genauso, dass wenn jemand seit zehn oder 15 Jahren tot ist, dann gibt es auch wieder den Punkt, wo man ein Lied hört. Und genau in dem Moment vermisse ich halt dann einfach meine Mutter und dann ist es auch noch ganz stark.
00:15:47: Sprecher 1 Geruch.
00:15:48: Sprecher 2 Musik, Gerüche. Oder es gibt einen Menschen, den man draußen sieht und sich denkt Ui, jetzt habe ich gedacht, das ist mein Bruder und schon ist er wieder da und und ich finde, wenn man das schafft, das zu integrieren, dass das wirklich sein darf, dass es immer wieder Momente geben wird, egal wie lang die Zeit vergeht, wo man einfach traurig ist und die Person vermisst, dann kann man auch wirklich gesund und gut damit umgehen. Ich muss das nicht verdrängen, ja, sondern ich darf einfach sagen, das ist jetzt ein Teil von mir und ein Teil wird manchmal traurig sein und ein Teil wird aber auch darüber reden können und lachen können. Und das ist einfach dann schön, wenn man natürlich Erinnerungen hat, Videos, Bilder und sich das anschauen kann.
00:16:26: Sprecher 1 Und wie ist es für Sie, wenn Sie Trauerbegleitung machen? Es gibt ja verschiedene Arten von Toden, die natürlich unterschiedlich glaube ich, schmerzen. Suizid zum Beispiel. Oder ein plötzlicher Unfall. Wie kann man da am besten als Angehöriger jetzt oder als Freundin oder als Kollege? Wie kann man da sein? Gibt es ein NoGo, was man auf keinen Fall machen sollte? Vielleicht verschwinden?
00:16:48: Sprecher 2 Genau. Ja, eigentlich schon. Weil sie haben gerade die Lösung gesagt da sein und das können die wenigsten. Und es ist wirklich so viele melden sich gar nicht, weil sie überhaupt nicht mit dem Thema umgehen können, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Und deswegen ist da sein so unglaublich wichtig und nicht nur zu sagen Du melde dich dann mal, wenn du was brauchst. Trauernde sind nicht mehr in der Lage, sich bei anderen zu melden. Und wenn man einfach wirklich anruft und sagt Du, wie schaut's aus, ich komme vorbei, ich bringe dir eine Suppe, ich mache dir den Garten, ich gehe für dich einkaufen oder lass uns eine Runde spazieren gehen. Also wirklich da zu sein und es auszuhalten, wenn ein Trauernder auch sagt Du, ne, Bitte sei mir nicht bös. Gerade gar keinen Bock drauf, lass mich in Ruhe. Viele nehmen es dann persönlich und denken dann Na, jetzt habe ich sie aber gefragt und jetzt will sie nicht. Und da sage ich immer Nein. Bitte immer wieder dranbleiben, Immer wieder und immer wieder.
00:17:40: Sprecher 2 Mal fragen Brauchst du was? Oder wie geht es dir? Und sich immer wieder die Geschichte anhören. Trauernde brauchen das zur Verarbeitung, dass sie ihre Geschichte immer wieder erzählen dürfen. Und nochmal. Und nochmal. Und nochmal. Und auch das halten viele im Freundeskreis nicht aus, weil da kommt dann oft Mein Gott, jetzt erzählst du zum 20. Mal.
00:18:00: Sprecher 1 Wie schon im Kleinen ja auch in Freundschaften, Liebeskummer, richtig? Hatte ja auch keine Lust, sich das Thema anzuhören. Aber man braucht es, wie sie sagen, einfach damit man darüber hinwegkommt. Ich finde auch so so ein bisschen ältere Sachen schön. Ich habe einem befreundeten Paar von mir. Die haben einen Freund verloren und sie wollten nicht reden. Ich habe es mehrfach angeboten. Ich habe gemerkt, es geht nicht, Sie sind zu verletzt. Es war auch sehr plötzlich. Und dann habe ich einen Brief geschrieben. Und dann haben sie mir nach drei Wochen. Zuerst dachte ich Oh, ist der überhaupt angekommen? Soll ich nachfragen? Also auch komisch. Und habe es einfach mal gelassen. Und dann haben sie mir nach drei Wochen geschrieben, wie wertvoll das für sie war, allein nur die Anteilnahme allein zu sehen. Ich werde akzeptiert dafür, dass ich gerade nicht reden will. Und da ist jemand da, der trotzdem an mich denkt. Und ich glaube, da darf man auch kreativ sein. Es ist nicht immer nur das Reden im klassischen Sinne.
00:18:46: Sprecher 1 Man kann auch einen Brief schreiben, Blumen vorbeischicken, Essen ist ja auch ganz wichtig. Man Kuchen vorbei stellen oder ähnliches. Aber ja, ich glaube auch, dass da viele Menschen an ihre Grenzen kommen, einfach weil sie sich mit dem Thema Tod nicht auseinandersetzen. Und dann müssen sie es für jemanden anders tun. Und ich glaube, deswegen verschwinden viele richtig.
00:19:04: Sprecher 2 Und sie halten auch. Also die wenigsten Menschen halten Trauer aus. Also den anderen dann wirklich auch immer weinen zu sehen und leiden zu sehen, halten einfach ganz viele nicht aus. Und das ist dann eher so Ah, jetzt warte ich lieber mal eine Zeit und dann geht es ihr bestimmt schon wieder besser und dann können wir auf ein Bierchen gehen und dann ist alles wieder wie früher. Nee, es ist nicht mehr wie früher. Und das ist ja auch was, was viele immer erleben, dass wenn man den Tod erlebt, also gerade einem, der wirklich sehr nahe war, dann verändern sich auch oft die Freunde.
00:19:34: Sprecher 1 Ja klar, man sieht dann auch, wer es wirklich bis zum bitteren Ende da und wer schafft es vielleicht nicht.
00:19:40: Sprecher 2 Genau so ist es.
00:19:41: Sprecher 1 Und das ist ja auch eine wichtige Erkenntnis fürs weitere Leben. Absolut. Also ich würde das gar nicht immer so negativ sehen. Das stimmt. Wir kommen zum nächsten Punkt. Das ist nämlich Sterben zu Hause. Wir haben im Vorgespräch darüber gesprochen, ja, dass das viele nicht machen. Vielleicht auch wegen den Angehörigen, die sich das nicht zutrauen. Da sind wir auch wieder beim Thema. Was können Sie denn dazu sagen? Wie entwickelt sich das gerade, dass Menschen vielleicht doch öfter wieder zu Hause sterben möchten?
00:20:06: Sprecher 2 Also dadurch, dass ich ja seit 25 Jahren schon in dem Beruf sein darf, habe ich natürlich vor 25 Jahren auch mitbekommen, dass es da deutlich unüblicher war als heute. Was viel damit zu tun hat mit der Palliativbewegung und der Hospizbewegung. Die haben einfach wirklich auch viel geschafft, viel geschafft, den Menschen Mut zu machen und denen natürlich auch zur Seite zu stehen. Und wir merken immer wieder, wenn sich jemand wünscht, zu Hause zu sterben und Familienmitglieder sagen Oh nee, das traue ich mir aber überhaupt nicht zu, dass sie dann den Mut haben, wenn sie wirklich einen Palliativdienst oder Hospizdienst an ihrer Seite haben. Aber es gibt natürlich auch die, die trotzdem sagen das schaffe ich einfach nicht. Derjenige muss einfach stationär gehen. Und durch die Bewegung hat es sich wirklich verändert, dass einfach wieder mehr Menschen zu Hause sterben dürfen und können. Und ich habe auch jetzt mittlerweile so ein bisschen das Gefühl, dass schon wieder auch mehr so die Großfamilie als Trend kommt. Also das, was so in den letzten Jahrzehnten so ein bisschen verloren gegangen ist, wird auf einmal wieder so trend.
00:21:09: Sprecher 2 Also die Generation so nach mir Ein, zwei, merke ich, haben auf einmal wieder so einen Bezug. Also zu den Eltern, zu den Großeltern, die fahren wieder zusammen in Urlaub und und ich denke mir Wow.
00:21:20: Sprecher 1 So Generationenhaushalte sind auch nicht mehr verpönt, sondern irgendwie auch was Schönes, wenn es da schon ein großes Haus gibt. Ich meine meine Generation. Ich bin jetzt in den Dreißigern, ich kann mir kein Haus so leicht leisten. Das ging bei meinen Eltern noch ganz anders. Ich glaube, das ist, da sehe ich auch ein Switch und ich finde das auch ganz schön.
00:21:36: Sprecher 2 Ich auch. Gefällt mir auch.
00:21:37: Sprecher 1 Also es kommt natürlich auf die Familie drauf an, aber wenn es klappt, wenn es harmonisch ist, warum nicht? Das stimmt genau, oder? Bei meinen Eltern sehe ich es jetzt eben auch. Die sind in ihren Sechzigern. Wie da der Zusammenhalt jetzt, wie sie immer näher rücken müssen, weil meine Großeltern sind in den Achtzigern, das ist einfach so, da muss man, man kann sich nicht davor verstecken, man muss irgendwann anfangen, sich damit zu beschäftigen. Und ja, ich finde den Gedanken, zu Hause zu sterben, eigentlich total schön. Also wenn ich es mir jetzt aussuchen dürfte Stand jetzt denke ich mir in meinem Bett mit meinen Sachen die Geräusche auch das darf man glaube ich auch nicht unterschätzen, die man ja im Krankenhaus hört. Leute, die reinkommen, Gerüche und dann, wenn ich mir denke, man liegt allein in seinem Bett oder nicht alleine, aber zu Hause und die Familie kommt vorbei. Die Freunde kommen vorbei, draußen zwitschern die Vögel. Ich habe meinen Tee mit meiner Tasse irgendwie. Das ist sehr tröstlich, finde ich.
00:22:28: Sprecher 1 Absolut. Wie würden Sie es denn machen? Haben Sie da so einen Gedanken? Sie sind täglich damit konfrontiert. Haben Sie einen Wunschgedanke?
00:22:34: Sprecher 2 Ja, Am Strand? Ja. Also ich bin wirklich eher so, Ich sag, ich würde mir wünschen, dass ich plötzlich sterbe, was für mich schön ist. Für mein Umfeld natürlich nicht, Das erlebe ich hier tagtäglich, muss ich einfach sagen. Das ist einfach gemein für die Familie und für die Freunde. Aber ich würde mir wirklich wünschen, bei einer Tätigkeit, die ich gerne mache, wie am Strand liegen oder auf der Terrasse in der Sonne, dass ich da dann sterben darf. Das wäre so.
00:23:02: Sprecher 1 Friedlichen Gedankengängen kann ein friedliches Gefühl vor allem. Genau jetzt kommen wir zum letzten Thema und ich will es gar nicht Tabuthema nennen. Aber man kommt um den Begriff nicht herum. Das Thema Tabu. Wenn Kinder sterben, es passiert. Es passiert vielen, wenn wir uns umschauen. Wahrscheinlich kennt jeder einen Menschen, dem das passiert ist. Trotzdem können und wollen wir nicht drüber drüber reden. Ihnen ist es selber passiert. Was können Sie dazu sagen? Wie kann man mit Menschen umgehen, denen das passiert ist? Und warum ist es noch mal ganz besonders, wenn ein Kind stirbt?
00:23:32: Sprecher 2 Also es ist ganz besonders, weil das natürlich nicht vorgesehen ist. Also Sie sagen es gerade selber. Ihre Eltern jetzt in den Sechzigern, Großeltern, Achtzigern, die fangen jetzt an, Oh, jetzt muss ich mich damit auseinandersetzen, weil irgendwann ist es so weit und bei Kindern ist es nicht so weit. Also das ist so ein Tod, der einfach nicht sein darf. Und das ist etwas, was alle überfordert. Also was das Umfeld überfordert und was ein Schmerz ist. Bei Eltern, der einfach im ersten Moment wirklich das Gefühl gibt, das hält man nicht aus. Also man, man wird nicht ohne sein Kind weiterleben können. Und deswegen ist das natürlich vom nicht nur vom Schmerz her, sondern vom ganzen Trauerprozess her. Alles was ich geplant habe, mein Leben. Also an Ostern werden wir mit unserem Kind da und da hinfahren. An Weihnachten ist er dann schon drei oder fünf oder zehn oder? Also man plant so seine Zukunft mit dem Kind und es ist von einer Sekunde auf die andere weg. Und das heißt ich muss mich jeden Tag und und jedes Jahr wieder neu finden, dass jetzt das Leben wirklich ohne meinem Kind stattfindet.
00:24:35: Sprecher 2 Und da sage ich auch wieder beim Umfeld eigentlich gar nicht viel anders wie bei den anderen auch. Da bitte keine Angst vor den Eltern zu haben. Also vor trauernden Eltern hat man noch viel, viel, viel mehr Angst, als wenn jemand einen Elternteil oder Oma oder Opa verliert. Und da ist es noch mal umso wichtiger, wirklich für die Familie da zu sein. Und einfach auch da. Und wenn wir nur zusammen am Tisch sitzen und heulen. Alles gut. Man muss nicht immer reden, man muss nicht immer was sagen. Aber wirklich da zu sein und auch mit den Eltern und das höre ich auch immer wieder. Was für die schön ist, wenn es Freunde gibt, die die Erinnerungen auch hochhalten. Also gerade wenn wirklich die Kinder ein bisschen älter waren, die dann trotzdem. Auch wenn im Kindergarten ein Fest ist, das Kind immer noch mit einbeziehen. Und das ist etwas, was Eltern wirklich unglaublich trägt. Auch zu merken das Umfeld, die haben unser Kind nicht vergessen und das ist unglaublich viel wert.
00:25:25: Sprecher 1 Und wie unterstützen Sie bei Aetas? Was machen Sie möglich für trauernde Eltern?
00:25:29: Sprecher 2 Also trauernde Eltern sind für uns insofern noch mal ein bisschen anders, weil wir den Eltern immer anbieten, dass wir zum Beispiel das Kind noch mal nach Hause bringen, wenn es gestorben ist. Warum? Weil oft so zu Hause gerade so für Kinder ist. So dieser geschützte Raum. Ja, und für viele Eltern ist es und ich hätte gerne unser Kind noch mal zu Hause, nochmal im Kinderzimmer oder noch mal bei uns bei der Familie. Das heißt, das bieten wir immer an, wird nicht oft angenommen oder auch da ist die Angst groß. Da haben wir natürlich immer die Möglichkeit, dass wir hier einen Abschiedsraum haben. Also wirklich das Abschied nehmen vom verstorbenen Kind. Und da soll und darf jeder kommen, da darf die Kindergartengruppe kommen, da darf die Schulklasse kommen, da dürfen die Nachbarkinder kommen, da darf der Fußballverein kommen. Also da, wo das Kind wirklich auch integriert war, Da Mut zu machen und zu sagen, es dürfen alle kommen, dürfen sich von dem Kind verabschieden. Sie dürfen den Sarg bemalen.
00:26:27: Sprecher 2 Ich habe schon mal einen Sarg in den Kindergarten gebracht. Dann hat die ganze Kindergartengruppe den Sarg im Kindergarten bemalt und Sachen mit reingegeben. Die Kindergärtnerin war auch, die war wirklich auch super. Die hat das alles fotografiert und hat mir nachher auch die Fotos gezeigt. Und es war wirklich. Das war so berührend auch für die Sowas trägt Eltern unglaublich. Die Kinder bekommen ein normales Umgehen damit und zwar ein komplett normales. Das waren die Kinder. Dann, als die Beerdigung waren, waren die auch alle mit dabei. Die Kindergartengruppe, die wirklich dann vor zu dem bemalten Sarg gerannt sind und den Erwachsenen allen gezeigt haben, was sie da drauf gemalt haben, Wer da jetzt drin ist, wie der aussieht. Also die haben es wirklich so geschafft, auch den Erwachsenen wirklich die Angst zu nehmen. Und das ist was, wo wir Eltern immer wieder ans Herz legen. Wirklich bei Kindern, wenn es Kinder gibt, die alle mit einzubeziehen und Eltern zu bleiben bis zum Schluss. Sie dürfen ihr Kind selber anziehen, sie dürfen ihr Kind selber einbetten, sie dürfen ihrem Kind Dinge mitgeben, wo sie einfach sagen das braucht es jetzt, das muss es mit dabei haben.
00:27:32: Sprecher 2 Genauso wie wir anbieten, dass sie das sehr klein selber zum Grab tragen dürfen, dass sie das Grab selber zu machen dürfen. Also wirklich dieses Eltern bis zum Schluss bleiben.
00:27:42: Sprecher 1 Und sie haben es ja gerade erzählt, wie die Kinder ganz anders damit umgehen und dass wir uns da eigentlich total viel abschauen können. Natürlich können sie das ganze Ausmaß nicht rational verstehen, aber ich habe eine kleine Nichte, die ist drei Jahre alt und die hat jetzt auch das erste Mal. Ein Hund ist gestorben und sie hat natürlich auch ganz nachgefragt Hast du ein Video, wie er gestorben ist? Natürlich. Diese Fragen, die für uns so normal sind, denke ich. Ja, stimmt. Erstmal will man wissen wie sieht denn das aus? Was ist denn das? Tot? Und sie rennt jetzt auch rum und sagt Naja, wenn ich Uroma bin, dann sterbe ich und dann sterbe ich. So, so total. So, das ist so, so ist das Leben und das gehört dazu. Und das finde ich so erfrischend, weil ich mir denke ja, es ist ja nur ein Fakt ohne jegliche Emotion. Es ist einfach nur ein Fakt. Sie hat Recht. So richtig. Und das finde ich total cool, wenn man da mal die Kinder anschaut, dass man selber vielleicht auch manchmal es geht nicht immer, aber manchmal ein bisschen rauszoomt und sieht, was ist hier eigentlich gerade?
00:28:39: Sprecher 1 Und auch das Thema Altern selber. Ich finde es so gut, dass man natürlich, man schimpft, man kriegt graue Haare, man kriegt Falten. Aber ich denke, ich habe immer mehr den Satz im Kopf Hey, ich darf so alt werden, ich darf graue Haare bekommen. Also es macht total viel mit mir, weil ich mir denke Ja, stimmt, das ist nicht jedem vergönnt.
00:28:57: Sprecher 2 Was ist die Alternative? Jung sterben?
00:28:59: Sprecher 1 Ja, eben.
00:29:00: Sprecher 2 Und das wollen wir ja auch nicht.
00:29:01: Sprecher 1 Nein, Das.
00:29:02: Sprecher 2 Ist genau das, was ich auch immer sage. Ja, Wir kriegen Falten. Wir kriegen graue Haare. Wir werden uns irgendwann nicht mehr ganz so bewegen können. Und genau das gehört dazu. Und das zu feiern. Ja. Anstatt zu sagen Oh Gott, jetzt habe ich meinen 50. Geburtstag. Um Gottes willen. Hey. Wow, Ich werde 50.. Ich darf. Wie Sie gerade gesagt haben, ich darf 50 werden. Es ist nicht selbstverständlich. Und bei uns in der Gesellschaft ist es selbstverständlich. Wir nehmen es für selbstverständlich, weil wir werden alle immer jünger, immer schneller, immer toller.
00:29:32: Sprecher 1 Immer jünger aussehen. Es wird ja auch propagiert, man soll jung bleiben sein für immer.
00:29:37: Sprecher 2 Nimm sämtliche Nahrungsergänzungsmittel und du bleibst jung und klar. Die Schönheitschirurgen, glaube ich. Die verdienen, glaube ich, richtig schönes Geld. Und ich sage auch lieber das Gegenteil. Also sich wirklich zu freuen und dankbar zu sein, dass man jeden Tag leben darf und auch älter werden darf. Und deswegen finde ich Kinder einfach Kinder. Also Kinder sind sind wirklich in dem Bereich. Wenn wir sie mit einbeziehen, zeigen sie den Erwachsenen wieder, wie normal das ist. Ja, also wie normal das ist, dass jemand stirbt, wie der sich anfühlt, weil Kinder sind ja gleich die Oma anfassen und erklären sofort, wie sich das anfühlt. Ich hatte jetzt übrigens auch kürzlich erst im Freundeskreis, wo auch ein Hund gestorben ist und dann hatte ich mit der 5-jährigen telefoniert. Da hat sie mir eben alles erzählt und wie traurig das ist. Und dann stellt sie die Frage Nicole, wann wirst du beerdigt? Und ich so? Das ist eine gute Frage. Ich hoffe mal in 40 Jahren. Und Sie So, Und was ist, wenn du früher stirbst?
00:30:38: Sprecher 2 Und dann habe ich gesagt Hm. Dann habe ich Pech gehabt. Aber dann machen wir ein ganz schönes, großes, letztes Fest, wo alle feiern dürfen, mein Leben und alle was trinken dürfen auf mich und sie so okay, das machen wir dann. Und dann habe ich wieder so gemerkt Wow, wie, wie schön. Also wie schön man sich mit Kindern wirklich über dieses Thema unterhalten darf.
00:30:57: Sprecher 1 Ist auch nicht schlimm, ist so eine unangenehme Frage zu stellen. Ein Erwachsener hätte das jetzt nie gestellt.
00:31:01: Sprecher 2 Genau.
00:31:02: Sprecher 1 Und das, ja, das finde ich auch sehr schön. Absolut. Und jetzt? 25 Jahre haben sie geschafft. 25 Jahre werden sicherlich noch kommen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft, für Kitas, aber auch generell für die Trauerkultur in Deutschland?
00:31:15: Sprecher 2 Also wir haben es ja in den 25 Jahren, muss man ja wirklich sagen, haben wir doch schon einiges verändert, gerade auch hier in München in der Bestattungskultur und haben es auch geschafft, dass Menschen das gemerkt haben, wie wichtig es ist, Abschied zu nehmen. Also es gibt viel mehr Abschiedsräume eben auch und dass man auch ein letztes Fest gestalten darf. Und ich würde mir natürlich wünschen, dass wir wirklich den Menschen weiterhin das geben können, was sie auch in dem Moment brauchen und dass wir sie wirklich. Also dass wir sie erreichen können, gerade wenn sie auch schwere Schicksalsschläge haben. Dass die Zeit zwischen Tod und Beisetzung für sie so gut genutzt wird, dass sie einfach auch gut damit weiterleben können. Und dass wir hier auch weiterhin noch einiges bewegen können, Weil es ist immer alles im Fluss und es gibt immer wieder neue Regelungen und es gibt immer wieder, immer wieder etwas, wo wir uns genauer anschauen müssen und wo wir dranbleiben wollen. Und dass wir einfach noch viele, viele Menschen, wenn sie so ein Schicksal haben, wirklich auch begleiten dürfen.
00:32:19: Sprecher 1 Das war ein sehr, sehr schöner Schlusssatz. Vielen lieben Dank, Frau Rinder, für dieses offene, sehr ehrliche und tolle Gespräch. Sie haben uns, glaube ich, total gute Einblicke geben können, wie die Welt einer Bestatterin aussieht und vor allem die Angst nehmen können. Vielen lieben Dank.
00:32:35: Sprecher 2 Ich sage vielen Dank.
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